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Reformationsstadt Levoča

Slowakei

Levoča

Hauptstadt der Zips

Levoča (deutsch: Leutschau, ungarisch: Lösce) liegt in der Zips, einer Landschaft in der nordöstlichen Slowakei am Fuße der Hohen Tatra und ihren Gipfeln mit über 2600 m Höhe. Die Zips war seit der Wende zum 13. Jahrhundert Siedlungsgebiet deutscher Einwanderer. Sie gründeten Städte und erhielten zahlreiche Privilegien, darunter die freie Pfarrerswahl. Dieses Vorrecht wirkte sich im Reformationszeitalter entscheidend aus.
Aufgrund ihrer umfassenden Freiheiten erreichte die Zips im 14. Jahrhundert ihre wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Sie profitierte von ihrer günstigen geographischen Lage am Schnittpunkt wichtiger Handelsrouten zwischen dem Norden und Süden, Westen und Osten, ideal für den aufstrebenden Transit- und Exporthandel. Ihre Vielfalt an Kunst, Handwerk, Gelehrsamkeit und kirchlichen Aktivitäten machte die 24 Städte in dieser Region zu Zentren der zeitgenössischen Kultur.
Die 1245 gegründete Stadt Leutschau bildete den politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Mittelpunkt der Zipser Sachsen. Ihre ökonomischen Netzwerke reichten bis nach Konstantinopel, Danzig und Brügge, die Stadt besaß zudem das „große Stapelrecht“ und galt als das „Nürnberg der Zips“. Die Stadtanlage von Leutschau zeigt noch heute mit dem großzügig bemessenen Ring, dem Rathaus, seinen gotischen Kirchen und Bürgerhäusern aus der Renaissancezeit den immensen Reichtum, den sie durch ihren Handel erwerben konnte. Heute zählt die Stadt zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Neben den Bergstädten in der Mittelslowakei waren es vor allem die deutschen Städte in der Zips, in denen schon zu Beginn der 20er-Jahre des 16. Jahrhunderts die Wittenberger Neuerungen bekannt wurden. Auch wenn authentische Daten über das erste Auftauchen von Lutherschriften fehlen, darf angenommen werden, dass Kaufleute und Studenten schon seit 1518 Drucke und Flugschriften aus Wittenberg, Leipzig oder Breslau mitgebracht haben. Bereits zum Jahreswechsel 1517/18 waren Luthers 95 Reformationsthesen in Ostmitteleuropa bekannt und wurden gelesen und diskutiert. Deshalb sah sich ja auch der Graner Erzbischof veranlasst, die Bannandrohungsbulle gegen Luther Exsurge Domini (15.6.1520) von allen Kanzeln verlesen zu lassen.
Die 24 Städte der Zips bildeten einen Städtebund, deren Hauptstadt Leutschau war. Die Pfarrer dieser Städte hatten schon im Mittelalter eine Bruderschaft gebildet. An ihrer Spitze stand, als die reformatorische Bewegung in der Stadt an Einfluss gewann, der Senior Georg Moeller. Er fuhr einen strikt antireformatorischen Kurs und forderte angesichts der Erfolge der Reformation von den kirchlichen und staatlichen Obrigkeiten wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Neuerer, freilich vergeblich. 1544 schloss er sich der Reformation an, so dass nun, wie es in der Ortschronik kommentiert wird, „das helle Licht des Evangeliums aufgegangen sei“.
In Leutschau herrschte ein humanistisches Klima, seit 1520 wirkte als Lehrer an der städtischen Lateinschule der aus England stammende Humanist und Erasmus-Anhänger Leonhard Cox (+1540), der zeitgleich mit Philipp Melanchthon in Tübingen studiert hatte. Als Stadtpfarrer fungierte seit 1514 Johannes Henckel (1481-1539), ein gebildeter und für die Kirchenreform aufgeschlossener Humanist, der mit Erasmus von Rotterdam korrespondierte, aber 1525 als Hofprediger nach Ofen/Buda berufen wurde und dort die religionspolitische Haltung der Königin Maria beeinflusste. Er begleitete diese 1530 zum Reichstag nach Augsburg, wurde so zum Augenzeugen der Überreichung der Confessio Augustana (1530) an den Kaiser. Er trat mit Melanchthon in Kontakt, blieb aber zeitlebens Erasmianer.
Eine wichtige Rolle für die reformatorische Bewegung in der Stadt nahm 1524/25 auch der Bürgermeister Gregor Mildt-Kynast ein. Er hatte aus Luthers Reformationsschrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ von 1520 die Verantwortung aller Getauften für das kirchliche Gemeinwesen erkannt, daraus die Motivation für die Unterstützung der Kirchenreform gewonnen und diese gegen den Widerstand des Seniors sukzessive umgesetzt. Dabei spielten Patronatsrecht und Wahlrecht der Gemeinde eine bedeutende Rolle. Er setzte sich 1529 als Stadtrichter für die Berufung des Täufers Andreas Fischer (um 1480 – um 1540) ein, der aber wegen seiner radikalen Ansichten bald wieder weichen musste.
In den Thronwirren von 1526 bis 1540, als der Habsburger Ferdinand von Österreich und der Siebenbürger Zápolya die ungarische Krone für sich beanspruchten, stand Leutschau im Lager der Habsburger. Deren Heerführer nahm einen der Propagandisten der Reformation Georg Leudischer (+1560) gefangen, der aber dem drohenden Ketzerprozess entgehen konnte und nach Käsmark auswich, die zweite „heimliche“ Hauptstadt der Zips, die sich zu Zápolya hielt.
Die 24 Zipser Städte bekräftigten 1568 die Entscheidung für die lutherische Reformation durch eine eigene Bekenntnisschrift zur Confessio Augustana, der sogenannten Confessio Confessio Scepusiana. Die Städte wollten damit zum Ausdruck bringen, dass sie nicht irgendeiner ihnen unterstellten Ketzerei anhängen, sondern der maßgeblichen lutherischen Bekenntnisschrift folgen, die Philipp Melanchthon 1530 abgefasst hatte und die 1555 auch reichsrechtlich anerkannt wurde.

Dr. Milan Majerský

Bürgermeister, Levoča

Links

Stadt Levoča: www.levoca.sk
Evanjelická Cirkev augsburského vyznania na Slovensku: www.evangelische.sk