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Reformationsstadt Greifswald

Deutschland

Greifswald

„Du bist ehrenreich“

Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald liegt an der Ostsee zwischen den Inseln Rügen und Usedom im äußersten Nordosten Deutschlands und gehört zum Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.
Im Jahr 1250 durch den Landesherrn des Herzogtums Pommern mit dem sogenannten Lübischen Recht, dem Stadtrecht der Reichsstadt Lübeck, ausgestattet, war Greifswald eine der bedeutenderen Hansestädte im Ostseeraum. Seit dem 15. Jahrhundert schwand der Einfluss der Hanse jedoch nach und nach.
Die 1456 gegründete Greifswalder Universität ist eine der ältesten in Nordeuropa. Dem Aufschwung der Gründungszeit folgte eine durch Rückschläge geprägte Phase. Ausschlaggebend dafür waren Auseinandersetzungen zwischen Landesherrn, Landadel, Geistlichkeit und Städten, in die auch die Universität involviert war durch die vielfältigen Verbindungen der streitenden Parteien zu ihr. Diese Zwistigkeiten überlagerten sich vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden reformatorischen Bewegung mit innerstädtischen ökonomischen und politischen Machtkämpfen.
Wie in vielen Hansestädten spitzten sich auch in Greifswald die Gegensätze zwischen den ratsfähigen Familien einerseits, die sich aus den wohlhabenden Großkaufleuten und Fernhändlern rekrutierten, und Kleinhändlern und Handwerkern andererseits zu. Die Letzteren verlangten einen Anteil am Stadtregiment und an der Kontrolle der städtischen Finanzen. Diese innerstädtischen Gegensätze nutzten die Landesherren zu ihren Gunsten, um ihren Einfluss auf die Städte auszudehnen, wobei sie häufig die Opposition gegen die städtische Obrigkeit unterstützten. Die sozialen Spannungen verschärften sich durch das Vordringen der Lehre Luthers. Während Teile der Bevölkerung, besonders der Handwerker und Kleinhändler, der neuen Lehre zuneigten, hielten die herrschenden Kreise an der alten Kirche fest.
Die reformatorische Bewegung setzte in Pommern zu Beginn der 1520er Jahre ein. Dabei nahmen die Städte im Herzogtum eine Vorreiterstellung ein. Hatte 1525 in der hansischen Schwesterstadt Stralsund eine empörte Volksmenge die evangelische Predigt durchgesetzt, leistete Greifswald unter dem bestimmenden Einfluss von Rat, Klerus und Lehrkörper der Universität den reformatorischen Bestrebungen noch immer Widerstand. „Greifswald, du bist ehrenreich“, sang man in Stralsund – ein Loblied auf Greifswalds Treue zur alten Kirche. Greifswald galt als Bastion des alten Glaubens, gestützt auf das unweit Greifswalds gelegene Kloster Eldena, das Domkapitel an der Nikolaikirche und die Universität.
1531 verloren die Anhänger der alten Lehre mit dem Tod des Herzogs Georg I. ihren wichtigsten Beschützer. Im selben Jahr, am 16. Juli 1531, hielt auf Drängen der Gewerke und der Bürgerschaft Johann Knipstro die erste evangelische Predigt in der Greifswalder Nikolaikirche. Knipstro war bereits früh für Luthers Thesen eingetreten und ab 1525 in Stralsund am Aufbau des neuen Kirchenwesens beteiligt gewesen. Nun bestellte Knipstro evangelische Prediger an den drei Greifswalder Stadtkirchen St. Nikolai, St. Marien und St. Jacobi.
1534 wurde auf Beschluss des Landtages zu Treptow an der Rega die evangelische Lehre für das ganze Herzogtum Pommern für verbindlich erklärt. Es begann der Aufbau einer vom Landesherrn abhängigen lutherischen Kirchenorganisation. Die Kirchenordnung verfasste Johann Bugenhagen, Weggefährte Luthers, der von 1502 bis 1504 an der Artistenfakultät der Greifswalder Universität studiert hatte. Der Besitz des Klosters Eldena fiel an die Herzöge von Pommern. Das Franziskanerkloster (Graues Kloster) ging in den Besitz der Stadt Greifswald über, auf dem Grundstück befindet sich heute das Pommersche Landesmuseum. Das Dominikanerkloster (Schwarzes Kloster) wurde der Universität als Wohnung für Professoren und Studenten zugewiesen
Die Universität wurde 1539 nun als protestantische Hochschule neu eröffnet, nachdem der Lehrbetrieb in den Auseinandersetzungen um die Einführung der Reformation ab 1527 fast vollständig zum Erliegen gekommen war. Zum ersten Professor für evangelische Theologie wurde Johann Knipstro berufen. Der Lehrstuhl für Theologie wurde mit dem Amt des Generalsuperintendenten verbunden. Gefördert durch die ihren Einfluss auf die Hohe Schule ausdehnenden Landesherren, erlangte die pommersche Landesuniversität bald wieder überregionale Bedeutung.

Greifswald war kein Motor der Reformation, doch durch die Reformation ausgelöste Veränderungen wirken bis in die Gegenwart. Ein Beispiel: Nach der Auflösung der drei Klöster war nun die die Stadt für Bildung und Armenfürsorge zuständig – noch heute kommunale Aufgaben!

Stefan Fassbinder

Oberbürgermeister, Greifswald

Links

Stadt Greifswald: www.greifswald.de
Pommerscher Evangelischer Kirchenkreis: www.kirche-mv.de
Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland: www.nordkirche.de