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Reformationsstadt Minden

Deutschland

Minden

Die Reformation der Gruppe 36

Die Stadt Minden, die ehemals Bischofssitz des römisch-katholischen Bistums Minden war, liegt im Nordosten des Landes Nordrhein-Westfalen. Besonderes Kennzeichen der Mindener Landschaft ist ein Wasserstraßenkreuz, an dem der Mittellandkanal auf einer Brücke über den Fluss Weser geführt wird.

Rat und Bürgerschaft der Stadt emanzipierten sich im Mittelalter zunehmend vom Klerus. Minden erlangte das Stadtrecht, gehörte zum Bund der Hansestädte und erlebte durch eine dynamische Entwicklung im Handel seit dem 13. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die selbstbewusste Stellung von Rat und Bürgerschaft gegenüber dem Klerus fand Ihren Ausdruck im Bau eines repräsentativen Rathauses, das dem Dom gegenüber steht.

Seit 1520 fand die reformatorische Bewegung auch im Fürstbistum Minden Verbreitung. Die Entscheidung zugunsten der Reformation fand jedoch nicht auf der Ebene der fürstlichen Herrschaft statt, sondern fiel in der Stadt Minden auf der städtischen Handlungsebene. Ausschlaggebend war hier ein ganzes Bündel von Ursachen. Das Ansehen vieler Kleriker und ihrer Korporationen war seit der Mitte des 15.Jahrhunderts bei der Bürgerschaft sehr gering.  Weder der in Petershagen residierende Weihbischof noch der von 1509-1529 regierende Administrator ohne Bischofsweihe Franz von Wolfenbüttel zeigten sich zur Beseitigung kirchlicher Missstände in der Lage. Als Franz I. 1529 in Wolfenbüttel starb, nutzte eine Bürgerbewegung ihren Handlungsspielraum und setzte in der Stadt 1529 die Reformation durch.

Eine Predigt, die der Benediktinermönch Heinrich Traphagen am 29. September 1529 in der Pfarrkirche St. Simeon hielt, markiert den Anfang der Reformation in Minden. Traphagen ließ in seiner Kanzelrede keinen Zweifel daran, dass er sich der lutherischen Lehre zugewandt hatte. Der Abt des Klosters, ließ daraufhin den ketzerischen Mönch festnehmen und ihn in das städtische Gefängnis im Keller des Rathauses einsperren. Die ständig wachsende evangelische Bürgerbewegung jedoch schritt zur Tat, brach unrechtmäßig in das Stadtgefängnis ein, befreite den inhaftierten Heinrich Traphagen ohne Wissen des Abtes und des Rates und demonstrierte wenige Tage später für ihre reformatorische Glaubensüberzeugung. Traphagen wurde öffentlich und demonstrativ wieder in sein Pfarramt an St. Simeon eingesetzt. Die der Reformation gegenüber aufgeschlossene Bevölkerung der Stadt bildete anschließend einen Ausschuss von 36 Männern, der zur Führungsgruppe in der evangelisch werdenden Stadt wurde.

Dem Druck dieses Ausschusses gab schließlich auch der Rat der Stadt nach. Er berief den Theologen Nikolaus Krage (1500-1559) nach Minden. Krage hatte in Wittenberg studiert und sich den Lehren Luthers zugewandt. In Minden wurde er zum Kristallisationspunkt der reformatorischen Bewegung. Krage predigte mit Ausnahme des Domes in allen Kirchen der Stadt. Mit Ihm führte der Rat die Reformation durch und besiegelte sie als rechtsverbindlich für alle Bürger durch die Verkündigung einer von Krage verfassten Kirchenordnung im Februar 1530. Mit diesem „stadtmindener Bekenntnis“, welches die erste evangelische Kirchenordnung in Westfalen war, wurde die Lehre, die Organisation des Kirchenwesens, die Amts-, die allgemeine Lebensführung und die Sozialfürsorge im Kirchenbezirk der evangelischen Stadt normativ geregelt. Mit ihr wurde auch die Gründung einer Lateinschule beschlossen, die zum ersten evangelischen Gymnasium in Westfalen wurde.

Rat und Bürgerschaft blieben seitdem evangelisch-lutherisch, das Dom- und Stiftskapitel dagegen war bis zur Säkularisation 1810 gemischt konfessionell besetzt. Mit der Auflösung des Bistums in der Folge des 30-jährigen Krieges wurde das Fürstbistum Minden von den Kurfürsten von Brandenburg, später von den Königen von Preußen, regiert. Diese brachten ihren reformierten Glauben als dritte Konfession nach Minden-Ravensberg.

Es ist der bewegten Reformationsgeschichte Mindens mit der bahnbrechenden Kirchen- und Schulordnung des Reformators Nikolaus Krage sowie den vielen Orten, die noch heute an die Zeit zwischen 1517 und 1530 erinnern, zu verdanken, dass Minden der Titel „Reformationsstadt Europas“ verliehen wurde.  Darauf können wir stolz sein! Nicht nur deshalb habe ich als Bürgermeister auch die Schirmherrschaft für die Veranstaltungsreihe vom Sommer 2016 bis ins Frühjahr 2017 in Minden übernommen.

Michael Jäcke

Bürgermeister, Minden