Reformationsstadt Homberg an der Efze
Deutschland

Wo Hessen sich für die Reformation entschied
Homberg an der Efze ist heute die Kreisstadt des nordhessischen Landkreises Schwalm-Eder. Im Mittelpunkt des Dreiecks zwischen Marburg, der Wartburg und Kassel gelegen, erhielt Homberg einen wichtigen Platz in der Reformationsgeschichte.
Nachdem beim ersten Reichstag zu Speyer 1526 den Reichsständen zugestanden wurde, bis zu einem Konzil oder einer Nationalversammlung mit der Reform der Kirche so zu verfahren, „wie ein jeder solches gegen Gott und die kaiserliche Majestät hofft und meint verantworten zu können“, lud der hessische Landgraf Philipp der Großmütige die Landstände, die Geistlichen des Landes und die Vertreter der Klöster zu einem „freuntlich und Christlich gesprech“ nach Homberg ein. Die Versammlung, die als die Homberger Synode in die Geschichte einging, führte die Reformation in der Landgrafschaft Hessen ein.
Der aus Südfrankreich stammende ehemalige Franziskaner François Lambert von Avignon erarbeitete im Auftrag des Landgrafen auf Latein 158 Thesen – die sogenannten „Paradoxa“, die er in mehreren Stunden vor der Synode vortrug. Der Marburger Reformator Adam Krafft übersetzte anschließend die wichtigsten Thesen ins Deutsche und bekräftigte, dass sie mit der Heiligen Schrift übereinstimmten. Lediglich der Guardian des Marburger Franziskanerkonvents Nikolaus Ferber stellte sich dem entgegen, indem er der Versammlung und dem Landgrafen das Recht, über kirchliche Angelegenheiten zu befinden, absprach.
Dabei hatte Landgraf Philipp schon früher erste Entscheidungen zur Einführung der Reformation getroffen. In seiner 1524 erlassenen Polizeiordnung verfügte er, dass das Evangelium „lauter und rein“ verkündet werden sollte und mit der Einsetzung von Adam Krafft als evangelischem Prediger und landgräflichen Visitator trieb er 1525 die Einführung der Reformation voran.
Die Homberger Synode beschloss eine Kirchenordnung für die Landgrafschaft zu erstellen, welche von François Lambert von Avignon unter dem Titel „Reformatio ecclesiarum Hassiae“, also „Erneuerung der hessischen Kirchen“ verfasst wurde. Diese sah den Aufbau der Kirche von den Gemeinden aus und jährlich tagende Landessynoden vor. Den Pfarrern wurde durchgängig der Titel „episcopus“, also „Bischof“ zugestanden. Zur Umsetzung der Reformation sah die Kirchenordnung auch die Gründung einer Universität mit Errichtung einer Stipendiatenanstalt für die Studenten, die Einführung eines Armenkastens und die Gründung von Schulen für Knaben und Mädchen sowie die Auflösung der Klöster vor.
Zwar veröffentlichte Landgraf Philipp nach schwerwiegenden Bedenken Martin Luthers die Reformatio nicht, doch setzte er in den folgenden beiden Jahren die Maßnahmen dieser Kirchenordnung einschließlich der Gründung der Universität Marburg als erster evangelischer Universität und der Auflösung der Klöster zugunsten der Hohen Hospitäler zur kostenlosen Versorgung der Armen und Kranken um. Als Ausdruck des allgemeinen Priestertums wurden von da an in Hessen regelmäßig Synoden abgehalten.
Die Homberger Synode und die daraus hervorgehende kirchlich strukturelle Entwicklung in der Landgrafschaft stellte damit eine Besonderheit in der Reformationsgeschichte dar. Die Homberger Synode verbindet die Elemente der akademischen Disputation, einer Geistlichkeitssynode und eines Landtags in einem Flächenstaat. Darin ging Landgraf Philipp der Großmütige über die Ansätze der Religionsgespräche in den freien Städten hinaus.
Zusätzlich ist beachtlich, dass die Einführung der Reformation in Hessen durch die Homberger Synode nicht nur im Zusammenhang der reichsrechtlichen Entwicklungen nach dem ersten Reichstag zu Speyer zu sehen ist, sondern durch die besondere Rolle von François Lambert von Avignon von Anfang an der europäischen Dimension der reformatorischen Bewegung Rechnung trug.
In der evangelischen Stadtkirche St. Marien, die in der Homberger Altstadt erhöht am Marktplatz steht, erinnert ein Buntglasfenster daran, dass dort die Homberger Synode stattfand. Sie wird auch Reformationskirche Hessens genannt.

Dr. Nico Ritz
Bürgermeister der Stadt Homberg (Efze)
Links
Stadt Homberg (Efze) https://www.homberg-efze.de/
Evangelische Kirchengemeinde Homberg (Efze) https://www.ev-kirche-homberg.de/
Evangelischer Kirchenkreis Schwalm-Eder https://www.kirchenkreis-schwalm-eder.de/
Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck https://www.ekkw.de/