Seite wählen

Reformationsstadt Ulm

Deutschland

Ulm

Die mit Ernst Christen sein wollten

Ulm ist eine Universitätsstadt im deutschen Bundesland Baden-Württemberg. Sie liegt an der Donau am Rand des Mittelgebirges, das Schwäbische Alb genannt wird. Die Stadt ist bekannt für das gotische Münster, das zur Zeit der Reformation die größte Pfarrkirche im Heiligen Römischen Reich war und dessen im 19. Jahrhundert errichteter Kirchturm heute mit gut 160 Metern der höchste der Welt ist.
Die wirtschaftlich florierende Reichsstadt Ulm entwickelte sich im Spätmittelalter zu einem europäischen Handelszentrum. Zugleich erhielt die Stadt zunehmend politisches Gewicht im Kreis der oberdeutschen Städte, an dessen Spitze sie neben den Reichstädten Straßburg und Basel stand. Zahlreiche Kirchen und Klosterkonvente rund um das Münster, das die Pfarrkirche der Bürgerschaft war, prägten das Ulmer Stadtbild und dokumentieren ein intensives kirchliches Leben am Vorabend der Reformation. Das Ulmer Dominikanerkloster war die Wirkungsstätte des spätmittelalterlichen Mystikers Heinrich Seuse.
Die Reformation fand zunächst Eingang durch die Verbreitung der Druckschriften Luthers in einem kleinen humanistischen Zirkel der Stadt. Öffentlichkeitswirksam wurde sie 1520 und 1521 durch die Predigttätigkeit von zwei Franziskanermönchen, die jedoch schon bald darauf die Stadt verlassen mussten. Forciert wurde die reformatorische Bewegung, nachdem der reformatorisch gesinnte Konrad Sam (1483-1533) vom Ulmer Rat zum Ratsprediger berufen wurde. Ihm gelang es gegen die zögernde Haltung des Magistrats die Reformation durchzusetzen, die 1531 durch einen Bürgerentscheid eingeführt wurde. Mit dem Münsterprediger Sam erfolgte in der Stadt eine Hinwendung zu den Reformgedanken Huldrych Zwinglis. Bereits 1524 war, als die Stadt Ulm die oberdeutschen Reichsstädte zu einem Städtetag eingeladen hatte, ein Brief an Kaiser Karl V. verabschiedet worden, der als erstes öffentliches Bekenntnis zur Reformation auf der politischen Ebene des Reichs gilt. Durch ihre Bündnispolitik suchten diese Reichsstädte ihre positive Haltung zur Reformation abzusichern.
Mit der Einführung der Reformation hatte der Rat es bewusst vermieden, sich auf ein bestimmtes Bekenntnis festzulegen. Das hatte zur Folge, dass in der Stadt zeitweilig offiziell oder faktisch mystische und spiritualistische Glaubensrichtungen geduldet wurden, die in den sich bildenden evangelischen Großkirchen reformierter und lutherischer Prägung keine Heimstatt hatten. Ein wichtiger Vertreter war Sebastian Franck (1499-1542), ein ehemaliger Priester, der angeregt durch die spätmittelalterliche mystische Literatur sich vom reformatorischen Prediger zum religiösen Einzelgänger entwickelte. Franck kam 1534 auf Einladung des Bürgermeisters Bernhard Besserer nach Ulm. Er richtete eine Druckerei ein und wirkte als Übersetzer, Schriftsteller, Herausgeber, Drucker und Buchhändler. In seinen Schriften, die großes, auch internationales Echo fanden, verband sich der Leitgedanke, dass die Wahrheit des Glaubens nur dem je Einzelnen zugänglich ist, mit einer Kritik an allen institutionellen Erscheinungen der Kirche. 1539 aus der Stadt ausgewiesen, konnte er in Basel als Buchdrucker und Publizist überleben.
Als weiterer Exponent einer spiritualistischen Frömmigkeit gilt der Schriftsteller Caspar von Schwenckfeld (1489-1561), ein Schlesier aus dem niederen Adel, der sich der reformatorischen Bewegung angeschlossen hatte, dann aber wegen seiner Position im Streit um das Abendmahl seine Heimat verlassen musste. 1529 fand er in Ulm Aufnahme im Haus des Bürgermeisters Besserer. Auch er war in Distanz zu den sich bildenden Reformationskirchen gegangen, da es ihnen an ernsthafter sittlicher Lebensführung fehlen würde. Aber anders als Franck, der ein Vertreter eines radikalen religiösen Individualismus war, suchte Schwenckfeld nach einer alternativen Form von Glaubensgemeinschaft. Eine Gemeinde im organisatorischen Sinne lehnte er jedoch ab. Was ihm vorschwebte, war ein Netzwerk Geistesverwandter, eine Gemeinschaft wahrer Christen, die unsichtbar ist und über alle Kirchen verstreut ist. In Südwestdeutschland, wo Schwenkfeld nach seiner Ausweisung aus Ulm 1539 als Schriftsteller im Exil lebte, fand er mit seinen Vorstellungen große Unterstützung. Beide, Franck und Schwenckfeld, gelten mit der Akzentuierung eines überkonfessionellen Christentums als Wegbereiter neuzeitlicher Toleranzvorstellungen.
In Erinnerung auch an diese Traditionen spiritualistischer Theologie und Frömmigkeit hat die Stadt Ulm im Jubiläumsjahr der Reformation zusammen mit Universität Tübingen, der Gesamtkirchengemeinde Ulm und der Landeskirche in Württemberg ein umfangreiches Programm unter dem Thema „Vielstimmige Reformation“ organisiert.

Gunter Czisch

Oberbürgermeister, Ulm

Links

Stadt Ulm: www.ulm.de
Evangelische Gesamtkirchengemeinde Ulm: www.evang-kirche-wiblingen.de
Evangelische Landeskirche in Württemberg: www.elk-wue.de