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Reformationsstadt Debrecen

Ungarn

Debrecen

Reformiert – auch dank der Osmanen

Die zweitgrößte Stadt Ungarns liegt im Osten des Landes, nur 30 km von der Grenze zu Rumänien entfernt. Während Ungarn allgemein überwiegend katholisch geprägt ist, ist die Mehrheit der Bevölkerung in Debrecen reformiert. Diese Sonderstellung ist einigen besonderen geschichtlichen Umständen geschuldet.
Nachdem 1526 Sultan Süleyman (ca. 1495-1566) in der Schlacht von Mohacs das ungarische Heer besiegte, fanden viele Ungarn in den reformatorischen Lehren einen neuen Halt. In Zeiten, in denen die äußere Ordnung ungewiss war, wurden sie sich ihres Heils in Christus bewusst. Die reiche Marktstadt Debrecen lag im Einflussbereich des siebenbürgischen Fürsten, des osmanischen Sultans und des habsburgischen Königs und konnte sich durch Abgaben an alle drei Mächte ihre Freiheiten bewahren. So fanden immer wieder Flüchtlinge in Debrecen Zuflucht. Im Jahre 1536 schenkte der erwählte ungarische König János Szapolyai (1487-1540) die Herrschaft über Debrecen dem humanistisch gesinnten Magnaten Bálint Török (1502-1551). Noch im gleichen Jahr ließ dieser in Debrecen evangelisch predigen und stieß bald darauf die evangelische Schulreform an. Der ungarische Reformator Mátyás Biró Dévai (ca. 1500-1545) wirkte die letzten Monate vor seinem Tode als Stadtpfarrer in Debrecen und führte die Reformation ein. Die Kaufleute und Handwerker in der Umgebung Debrecens wandten sich vor allem der reformierten Richtung der Reformation zu. 1558 wurde Péter Juhász Méliusz (ca. 1536-1572) vom Magistrat der Stadt zum Stadtpfarrer berufen. Méliusz hatte zuvor in Wittenberg studiert, war dort Senior des ungarischen coetus, also des ungarischen Studentenwohnheims, und hatte sich theologisch der Schweizer Reformation angenähert. 1561 wurde Méliusz zum reformierten Bischof gewählt. Nun wurde Debrecen zum „brennenden Licht“ des ungarischen Calvinismus. Als der Reformator Gál Huszár im gleichen Jahr mit seiner Druckerpresse nach Debrecen floh, ermöglichte er damit dem jungen Bischof Méliusz die Verbreitung der calvinistischen Lehren.
Méliusz sammelte 1567 die Reformierten in Debrecen zu einer Synode, um den Bekenntnisstand der Kirche zu definieren. Die Synode nahm zwei antitrinitarische ungarische Bekenntnisschriften von Méliusz, das Zweite Helvetische Bekenntnis von Bullinger und den Heidelberger Katechismus als Lehrgrundlage an. Daneben wurde eine Kirchenordnung erlassen, die nun neben der Debrecener Gottesdienstordnung und dem Debrecener Gesangbuch galt. Die reformierte Kirche in Ungarn hatte so eine zukunftsfähige Ordnung erhalten. Da die ungarische Tiefebene noch lange von den Osmanen besetzt war, konnte die Gegenreformation nicht bis Debrecen vordringen und die reformierte Kirche bedrängen. Die verhältnismäßig tolerante Religionspolitik des osmanischen Reichs begünstigte die Ausbreitung und Festigung des reformierten Glaubens.
Viele Gebäude und Plätze in Debrecen geben Zeugnis der reichen reformierten Kultur der Stadt, so z.B. die Große Reformierte Kirche oder das Reformierte Kolleg. Die humanistische Stadtschule wurde 1538 in ein Reformiertes Kolleg umgewandelt. 1588 wurde dazu in Debrecen ein coetus, d.h. die Selbstverwaltung der Schüler und Studenten gegründet. Aus dem Reformierten Kolleg ging später die Universität Debrecen hervor. Die Große Reformierte Kirche wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Stil des Klassizismus gebaut. In der größten reformierten Kirche Ungarns wurde 1849 die ungarische Unabhängigkeitserklärung proklamiert.

Links

Stadt Debrecen http://eng.debrecen.hu/
Tourismusbüro Debrecen http://eng.debrecen.hu/tourist/tourist_information
Evangelisch-reformierte Kirche in Ungarn http://www.reformatus.hu/
Evangelisch-lutherische Kirche in Ungarn http://zope.lutheran.hu/portal/bemutatkozas/deutsch/